ABZÄHLEN

nach dem roman von tamta melaschwili. eine theater bremen produktion (schauspiel und moks). uraufführung am 26/09/2014 im kleinen haus.

foto: léa dietrich

„ideenreiche, intelligente inszenierung. beachtliche bühnenfassung. subtil vorgeführtes drama. effektvoll, nachhallend und nachhaltig.“ – weser kurier
„eindrucksvoll umgesetzt.“ – taz

„was ist das für ein krieg?
das ist kein krieg.
die einen hier, die anderen dort
und mittendrin nichts.“

ninzo – meret mundwiler
zknapi – marina lubrich
mutter, oma lamara, tante dodo, mediko – susanne schrader
kopialani, opa saur, junge, werana – miroslaw zydowicz
kwernadse, junge, soldat 1, gotsadse – rené oley
kereselidse, junge, mann im auto, soldat 2, lia – walter schmuck
tante msia, tante natela, khatuna – anna-lena doll

regie – konradin kunze
ausstattung – léa dietrich
musik – jan beyer
choreografie – tomas bünger
chorgesang – mechthild hettich
licht – jörg hartenstein
dramaturgie – rebecca hohmann

was ist die realität von menschen im krieg jenseits der front? aus der perspektive der beiden 13-jährigen mädchen ninzo und zknapi erzählt die georgische autorin tamta melaschwili von drei tagen kriegswirklichkeit aus einem grenzgebiet, das nur noch die zurückgelassenen – frauen, kinder und alte – beherbergt. in der trostlosen und zerstörten umgebung, wo hunger, krankheit und armut herrschen, müssen die beiden verantwortung für ihre familien übernehmen und gleichzeitig selbst erwachsen werden. die aufregungen der pubertät und die schrecken des krieges liegen nah beieinander. während mütter um ihre gefallenen söhne trauern, flirten die mädchen mit wachposten und probieren die ersten zigaretten. materielle not treibt die freundinnen zu immer gefährlicheren abenteuern.
eine geschichte über zwei mädchen, die sich gesellschaftlich wie persönlich in einer übergangszone befinden, in der noch nicht klar ist ob es überhaupt eine zukunft gibt und wie diese aussehen könnte. – „abzählen“ wurde 2013 mit dem deutschen jugendliteraturpreis ausgezeichnet.

pressestimmen:
„wäre ein schnürboden ein lebendiger organismus, so dürfte jener im kleinen haus des theaters bremen wohl nach jeder aufführung der jüngsten moks-produktion über muskelkater klagen. so viele dinge – kleidung, pilze, spitzwegerich – entringen sich ihm in konradin kunzes ideenreicher inszenierung des jugendstückes „abzählen“, dass der zuschauer an einen grotesken geburtsvorgang denken könnte. doch in dieser beachtlichen bühnenfassung eines romans der georgischen schriftstellerin tamta melaschwili, jahrgang 1979, geht es um den tod. und um einen krieg, der seelen verwüstet. so sehr der fast die ganze aufführungsdauer währende schnürboden-output als fortsetzung einer materialschlacht mit absurden mitteln erscheint, so sehr muten die figuren, die dieses apokalyptische szenario bevölkern (ausstattung: léa dietrich) wie traurige zombies an. mal werden diese zwischen den fronten eines nicht spezifizierten waffenganges verorteten stehaufmännchen und -frauchen von maschinengewehrsalven weggemäht, die konradin kunze in einer irrlichternden, zuckenden brachialästhetik in szene gesetzt hat. mal ziehen die mitglieder dieser dorfgemeinschaft auf abruf in drastischen wie plastischen sätzen, gesten und desperado-tanzschritten verheerende bilanz. denn dieser existenzielle konflikt, der mitten durch die individuen geht, ist ein verlustgeschäft. familiär. finanziell. und überhaupt.
das erfahren auch zwei 13-jährige mädchen, die im krieg auf spielerische weise ihren schnitt machen wollen. ninzo (meret mundwiler) und zknapi (marina lubrich) stehen als von der soldateska gierig beäugtes frischfleisch im zentrum der schlachteplatte, die kunze nach melaschwili auftischt. doch solch ein konflikt, tobe er nun in südossetien oder syrien, kann – außer bei ernst jünger – nicht die richtige Kulisse für geglückte initiationsgeschichten sein. bereichernd flankiert wird das subtil vorgeführte Drama dieser denkbar ungleichen Freundinnen durch die mannschaftsdienlich auftretenden akteure anna-lena doll, susanne schrader, rené oley, walter schmuck und miroslaw zydowicz.
tänzerische elemente (choreografie: tomas bünger), poetische momente (einstudierung empfindsamer elegien: mechthild hettich) sowie ein schlüssiges musik- und klangkonzept (jan-s.beyer) machen diese aufführung zu einem effektvoll schallenden, zu einem nachhallenden und nachhaltigen wimmelbild, das sich trefflich zu dem in der vergangenen saison begründeten militärkritik-themenschwerpunkt des jungen theaters fügt (konradin kunzes „weißes papier“; gernot grünwalds „kindersoldaten“).“
weser kurier