von wajdi mouawad. eine produktion des jungen schauspielhaus hamburg. deutschsprachige erstaufführung am 20/02/2015 im jungen schauspielhaus gaußstraße.

„düsterer cyber-thriller. packend erzählt. aktueller denn je.“ – nachtkritik„superaktuell. spannend. ensemble höchst überzeugend.“ – die deutsche bühne„spannend inszeniertes und komplexes spiel. – abendblatt
„beklemmendes kammerspiel. spannend und anspruchsvoll“ – mopo
„seht das blut: wer befiehlt, dass es vergossen wird?
die väter die väter!
wer hat es vergossen?
die söhne die söhne
jeder mann, der einen mann tötet, ist ein sohn, der einen sohn tötet
unweigerlich schrecklich unweigerlich“
clemens szymanowski – florens schmidt
barbara mittweg – christine ochsenhofer
dolorosa haché – angelina häntsch
karl elias john – hermann book
vincent chef-chef – jonathan müller
alexander meißen – markus john (video)
viktor elias john – paul jürgens (video)
anatol meißen – martin wolf (stimme)
regie – konradin kunze
ausstattung – léa dietrich
musik – octavia crummenerl
video – jürgen salzmann
dramaturgie – stanislava jević
licht – jonathan nacke
an einem geheimen ort scannt ein team von geheimdienstmitarbeitern die globale kommunikation auf der suche nach versteckten botschaften. als teil einer internationalen operation versuchen sie, die nachrichten einer terrorgruppe zu entschlüsseln, um bevorstehende anschläge zu verhindern. mit ihren engsten angehörigen halten sie per telefon und internet kontakt, dürfen aber nicht über ihre arbeit sprechen. als ein mitarbeiter aus unbekannten gründen selbstmord begeht, wird ihre mission um unbestimmte zeit verlängert. die stimmung im team verdüstert sich, und das gewirr aus kryptischen nachrichten und abgehörten telefonaten verdichtet sich zu einer realen bedrohung. ein junger dekodierungsexperte soll nun versteckten hinweisen auf dem laptop des verstorbenen nachgehen. doch seine entdeckung führt zu streit: könnte es sein, dass ein gemälde des renaissancemalers tintoretto als vorlage dient für eine szenerie des grauens? nutzen die jungen, global vernetzten terroristen gedichte, um ihre anschlagspläne zu verschlüsseln? kann schönheit zerstörung hervorbringen? in „himmel“ verknüpft wajdi mouawad mehrere handlungsfäden wie in einem spionagethriller und streift dabei unterschiedlichste themen aus kunst, geschichte und politik. mühelos schlägt er den bogen von klassischerbildkomposition über den aufstand der jugend bis hin zu verschwörungstheorien. das stück untersucht das verhältnis von kunst und gewalt in einer durch terror und überwachung tief verunsicherten welt. „himmel“ ist der letzte teil von mouawads zyklus »das blut der versprechen«, zu dem auch sein erfolgreiches stück „verbrennungen“ gehört.
portrait konradin kunze im abendblatt.
pressestimmen: „himmel – wajdi mouawad am jungen schauspielhaus packend erzählt. (…) der im libanon geborene kanadische autor arbeitet in „himmel“ mit einem komplexen krimi-plot, um etwas über unsere welt, unsere zeit zu erzählen. dabei erscheint „himmel“ heute beinahe aktueller denn je. als hätte mouawad die enthüllungen eines edward snowden vorausgeahnt, skizzierte er schon 2009 eine geheimdienstarbeit, die die datenströme dieser welt umstandslos und scheinbar maßlos durchkämmt. und der die handlung grundierende generalverdacht, terror müsse heute eigentlich notwendig islamistisch sein, hat sich bekanntlich auch nicht erledigt. „himmel“ spielt im inneren einer geheimdienstzelle, deren global vernetzte mitglieder – von heim und familie getrennt – nach einer rätselhaften gruppierung fahnden, die offenbar einen terroranschlag ungeahnten ausmaßes plant. unklar bleibt dabei freilich, ob es nicht eigentlich der verfolgungswahn einer imperialistischen welt ist, die alles, was sich ihr nicht umstandslos unterwirft, als potenziellen terror wertet. und mit terror darauf antwortet. als „vor- und rückseite eines spiegels“ hat mouawad dieses verhältnis bezeichnet – salopp gesagt: was dem einen seine resistance, ist dem anderen sein terror. aus dieser ambivalenz leitet mouawad spannende fragen ab: denn was wäre die antwort auf die gewalt, die das 20. jahrhundert und den beginn des 21. prägte? nicht nur die arabische welt hätte schließlich gründe (man muss sie ja die wahl der mittel nicht teilen), sich zur wehr zu setzen. die handlung setzt nach dem selbstmord des verschlüsselungsexperten alexander meißen ein. die mission scheint daraufhin am ende. seinen rechner zu knacken, will nicht gelingen. aber es gibt einen nachfolger. und der sorgt für ärger. weil er an einer von der (natürlich sehr amerikanisch wirkenden) zentrale verworfenen these festhält. der neue, clemens szymanowski, bringt damit vor allem vincent chef-chef, der laut gruppen-chefin barbara mittweg für jede schweinerei zu haben ist, gegen sich auf. der konflikt der beiden, die versuche szymanowskis, den rechner des toten zu knacken, seine spurensuche, die ihn über ukrainische gedichte bis zu einem gemälde von tintoretto führt und darüber schließlich zu den zielen der terroristen – all das ist reichlich kompliziert, die pointe einigermaßen verblüffend, weshalb sie hier nicht verraten sei. kunze zeigt das wie in einem jener stets etwas düsteren cyber-thriller mit verschwörungsraunen. (…) allerdings reißt er das dreidimensional auf, lässt auch mal im publikum spielen, das in der mitte des raumes auf drehhockern sitzt und immer wieder rotieren muss, um das geschehen zu verfolgen, das überwiegend entlang der vier raumseiten in einem tristen fabriketagen-ambiente spielt. verschiedene büroarbeitsplätze, videoleinwände und monitore geben kunze gelegenheit, mit raschen schnitten zu arbeiten, was der inszenierung tempo gibt, das gelegentlich durch klug gesetzte, intime momente verlangsamt wird. bis die handlung auf ihrem höhepunkt förmlich explodiert und von wand zu wand fliegt, von monitor zu monitor – und das stück zu seinem hoffnungslosen ende kommt. eine durchaus packende arbeit, die auch schauspielerisch befriedigt. christine ochsenhofer gibt die chefin der truppe tough, aber mit skrupeln, florens schmidt ist als sensibler nerd szymanowski gut besetzt, (…) hermann book spielt den väterlichen karl elias john mit inbrunst, jonathan müller verleiht dem fiesen chef-chef eine extraportion widerwärtigkeit, angelina häntsch rührt als sprachgenie dolorosa haché, während nicht zuletzt markus john als alexander meißen allein per video enorme präsenz entwickelt.“ nachtkritik
„während die schauspieler ein stück proben, in dem die katastrophe des 11. september neu droht, geschehen die jüngsten anschläge in paris, gefolgt von dem in kopenhagen. plötzlich steht das eh schon aktuelle stück superaktuell da. und befördert noch die wahrnehmung, die der autor kritisch hinterfragt: den reflex, bei attentaten immer gleich an islamismus und dschihad zu denken. als drahtzieher sucht auch eine antiterroreinheit in wajdi mouawads „himmel“ stets nach menschen mit arabischen namen. die elitebeamten können und dürfen sich laut ihrer vorgesetzen auch gar nicht vorstellen, dass es diesmal nicht gegen liberalismus, kapitalismus, globalisierung, gottlosigkeit geht. sondern um ein fanal gegen den krieg als desaster des zivilisationsprozesses. (…) das publikum hockt in hamburg mitten im bühnenraum, ist statisterie und soll statuen darstellen, mit denen die einsatzzentrale des sonderkommandos geschmückt ist. um die zuschauer herum wird agiert als wären sie unbeachtete objekte im spiel der mächtigen, ihrer noch mächtigeren NSAs und einiger mächtig angst verbreitender gegner. regisseur konradin kunze verortet das stück mit diversen lokalpatriotischen anspielungen in deutschland. dramatisch dreht sich alles – wie immer beim handwerklich guten krimiautor mouawad – um die enthüllung der wahrheit. peu à peu werden indizien zu fährten zusammengepuzzelt. (…) entschlüsseln von abgehörten telefonaten, codes, passwörtern, anagrammen, algorithmen. tintorettos „verkündigung an maria“ (1583/87) bekommt eine prominente rolle. ukrainische gedichte und höhere mathematik eröffnen koalierend abgründe in einem laptop. jederzeit könnte ein nachfahre jesu oder auch luzifer persönlich das dunkel erleuchten. aber mouawad holt einen computernerd als superdetektiv ins stück. und setzt auf tempo mit filmisch collagierten szenen (…). (es) bleibt spannend, weil das ensemble höchst überzeugend ihre beschleunigende oder verzögernde, verwirrende oder emotionalisierende funktion bei der tätersuche erfüllt und sich dabei die typologie ihrer figuren eindrücklich erspielt – auch wenn sie nur marionetten des plots sind. der auf eine wirklich gute pointe hinausläuft: die erweckung einer neuen jugendbewegung, geboren in all den aktuellen kriegen, aufgewachsen im schatten ihrer leichenberge. ein globales netzwerk werdender anarchisten habe sich so gebildet, erfahren wir, und versuche weltschmerz in der poesie des terrors zu formulieren. performancekunst eben – nur mit mörderischen mitteln.“ die deutsche bühne
„das theaterstück „himmel“ im jungen schauspielhaus ist ein spannend inszeniertes spiel. (…) die analogie zur überwachungswut der NSA und den enthüllungen von edward snowden sind in wajdi mouawads theaterstück „himmel“ offensichtlich. als der in kanada lebende libanese sein stück 2009 schrieb, konnte er noch nichts von snowdens enthüllungen wissen. (…) erschreckende aktualität bekommt mouawads stück durch die anschläge in paris und kopenhagen. der arabische dramatiker und sein deutscher regisseur konradin kunze gehen allerdings nicht so platt vor, die bedrohung irgendwelchen dschihadisten in die schuhe zu schieben. (…) mouawad stellt in seinem cyber-drama auch die frage: was ist widerstand und was ist terrorismus? kunze und seine fünf schauspieler schaffen es in diesem spannend inszenierten und komplexen spiel, die bedrohung von außen deutlich werden zu lassen. gleichzeitig offenbart aber auch das innere geheimdienstsystem schwächen. es geht um macht, opportunismus und den mechanismus von befehlsketten mit fatalen folgen.“ abendblatt
„himmel im jungen schauspielhaus ist spannend und zugleich anspruchsvoll. konradin kunze inszeniert die deutsche erstaufführung als beklemmendes kammerspiel.“ mopo