WAISEN

von dennis kelly. eine moks produktion des theater bremen. premiere am 25/11/2017 im brauhaus. eingeladen zu augenblick mal! 2019.

foto: jörg landsberg

„nachhaltig verstörend. derart packend, dass man kaum zu atmen wagt. stark, ganz stark.“ – weser kurier
„intensiver theaterabend. beeindruckend. – radiobremen

„- wenn dieser junge unschuldig ist, dann tut er mir sehr, sehr leid. wenn nicht, dann nicht. aber ich kenne ihn nicht.
– also darauf läuft es heutzutage hinaus? wen wir kennen und wen nicht?“

helen – meret mundwiler
danny – julian anatol schneider
liam – christoph vetter
ein mann/regiehospitant – abdul aboras

regie – konradin kunze
ausstattung – lea dietrich
sound design – octavia crummenerl
licht – jörg hartenstein
dramaturgie – sabrina bohl und paulina papenfuss

ein ganz normaler abend, ein abendessen eines paares, helen und danny. plötzlich steht helens bruder liam blutüberströmt im zimmer. er versichert, lediglich einem jungen zu hilfe gekommen zu sein, der niedergestochen wurde. doch wo ist dieser junge jetzt? müsste man den vorfall nicht bei der polizei melden? während danny zunehmend irritiert ist von den widersprüchlichen äußerungen liams, stellt sich helen schützend vor ihren vorbestraften bruder, für den sie sich seit dem tod ihrer eltern verantwortlich fühlt und der ihr wichtiger ist als ein opfer, das sie gar nicht kennt. danny lässt sich überreden, seinen schwager ebenfalls zu schützen und ahnt dabei nicht, in welch fatales geflecht aus halbwahrheiten, lügen und liebe er sich damit verstrickt.
dennis kellys stück „waisen“ wirft in einem kammerspiel gesamtgesellschaftliche fragen nach schuld, verantwortung und zivilcourage auf und enthüllt gleichermaßen, wie schnell werte wie moral und hilfsbereitschaft über bord geworfen werden, sobald eigene interessen und verstrickungen im vordergrund stehen.

pressestimmen:
„regisseur konradin kunze hat das (…) kammerspiel des englischen dramatikers dennis kelly für das moks als nachhaltig verstörende parabel inszeniert, und sich deshalb auf minimalismen bei bühnenbild und ausstattung beschränkt. die drei haupt-akteure tragen weiße t-shirts zu jeans, das wohnzimmer ist eine leicht zum publikum hin gekippte weiße fläche, über der eine schmucklose scheinwerfer-batterie hängt (bühne und kostüme: lea dietrich). an und an garniert ein bedrohliches schrappen oder ein wenig subwoofer-gebrummel die szenerie (musik: octavia crummenerl). mehr ist nicht nötig, damit die beiden ebenen der inszenierung augenfällig werden. kunze hat mit mundwiler, vetter und schneider drei schauspieler, die durch ihr extrem körperbetontes spiel die eskalationen wie auch dir stagnationsphasen dazwischen derart packend gestalten, dass man als zuschauer kaum zu atmen wagt. (…) kunze hebt das stück durch einen klugen kunstgriff auf die meta-ebene (…): das dilemma der familie ist das der modernen einwanderungsgesellschaft(en). er stellt also die fiktionalität von ‚waisen‘ bewusst aus. (…) der ‚araber‘, der, über den alle die ganze zeit schwadronieren, fordert schließlich seinen platz auf der bühne. durch abdul aboras erhält er ein gesicht und eine stimme. (…) ‚waisen‘ entlässt das publikum mit viel unbehagen und der frage: was hättest du eigentlich gemacht? das ist stark, ganz stark sogar (…). bei der premiere (…) gab’s viel jubel für das gesamte team.“ – weser kurier

„ein intensiver theaterabend, der mich von anfang bis zum ende in seinen bann gezogen hat, wie ein krimi oder psychodrama. (…) das romantische dinner, das helen und danny geplant hatten, (wird) in der auseinandersetzung mit helens bruder liam zum grenzgang am seelischen abgrund der figuren, die sich gegenseitig verletzen und trösten, vertrauen und misstrauen, lieben und hassen. (…) in dieser personen-konstellation lassen sich also aktuelle gesellschaftliche fragen aus ganz unterschiedlichen perspektiven nachvollziehen: rassismus, allgemeine verantwortung und persönliche schuld. überdies gibt es noch eine besonderheit an der bremer inszenierung. hier bekommt das – im original abwesende – opfer gesicht und stimme. (…) der intime raum des brauhaus vertärkt die intensive atmosphäre. (…) es ist für alle (ein) harter stoff. zumal sich dir schauspieler oft auch direkt ans publikum wenden und die zuschauer mit hineinziehen in ihre geschichte, ihre entscheidungsnöte und ihre abgründe. dadurch wirkt die haupt-aussage des stückes besonders intensiv: dass nämlich hehre grundsätze schnell ins wanken geraten, sobald es persönlich und konkret wird. diese erkenntnis bringen die schauspieler sehr nahe. (…) ein sehr beeindruckender abend (…) bei weitem nicht nur für jugendliche!“ – radiobremen

„stark wird die inszenierung in dem moment, als ein schauspieler aussteigt und ein ‚bühnentechniker‘ einsteigt. er ist syrier und muslim. er fordert die figur auf, ihn direkt mit den vorwürfen zu konfrontieren, bleibt dann auf der bühne und übersetzt den verbleibenden stücktext simultan ins arabische. jetzt entstehen mehrere ebenen: über etwas reden wird ergänzt durch mit jemandem reden, zum standpunkt der figuren kommt der der darsteller*innen.“ – taz